Dienstag, 24. Februar 2015

Über Leidenschaft, oder: was uns zum Strahlem bringt

Ein kleiner Moment, der mich nicht richtig loslässt: 
Vergangenen Sonntag mache ich das Kinderprogramm bei den Jesus Freaks und erzähle die Geschichte vom verlorenen Sohn. Wir feierten zusammen eine "Willkommen Zuhause" Party, mit allem drum und dran: Kuchen, Feuerwerk (= Wunderkerzen), Tanz und natürlich machen wir uns vorher richtig schick. Ich hatte unsere Verkleidungskiste dabei und Samu  zog voller stolz das Müllmannkostüm an, das ich vor einigen Tagen günstig im Faschings-Schluss-Verkauf erstanden habe.


Er hat es auf den ersten Blick in`s Herz geschlossen und es wird ihm sicher noch die nächsten Jahre passen (ein richtiges Schnäppchen also!). 
Die anderen Kinder suchten sich ihre Prinzessinenkleidchen und Cowobyoutfits aus und begutachteten sich gegenseitig - auch den glücklichen Müllmann. "Igitt", sagte einer zu Samu, und: "Du stinkst, Müllmann!", eine andere. Ich sah wie das Strahlen erlosch und einem beschämten Gesichtsausdruch Platz machte.
"Der Müllmann sieht super aus", versuche ich die Situation noch zu retten, aber ich weiß, dass ich es nicht mehr retten kann. Die Worte der anderen Kinder haben ihn getroffen und diese pure Freude am Müllmann-sein ist erstmal vorbei, das sehe ich ihm an.

Nun ist es nicht so, dass ich denke es ist ein schreckliches Trauma oder dass die Kinder ganz schlimm zu Samu waren - so sind Kinder (einschließlich meines Sohnes) und so etwas muß man verkraften können (besonders als sensible Mutter:-)).

Eigentlich eine ganz kleine Sache, aber wenn ich jetzt wieder darüber nachdenke spüre ich, dass es tief in mir eine Traurigkeit auslöst, die nicht nur den kleinen Sohn betrifft. Vielleicht ist es die Traurigkeit über so viele kleine Momente, in denen ein paar unbedachte Worte ein strahlendes Gesicht in Scham verwandeln können, in der pure Freude durch eine Bemerkung getrübt werden kann, in der eine Leidenschaft versandet, weil ein anderer nur ein müdes Lächeln dafür übrig hat.

Vor einigen Tagen kam Heio strahlend aus seinem Gemeindebüro nach Hause und meinte: "Ich mach diese Arbeit so gerne!". Und was macht die Frau, die immer so gerne ermutigt? Ich bin genervt und sage: "Schön für dich! Ich hab den ganzen Vormittag hier deinen Scheiß aufgeräumt!" und sein Strahlen verschwindet. Anstatt mich mitzufreuen spüre ich eine brennende Eifersucht, dass er das tun kann, was ihn lebendig und glücklich macht und ich -gefühlt- zu nichts gekommen bin (und es mir oft so schwer fällt herauszufinden was mir Freude macht).

Neulich las ich, dass höchstens 2 von 10 Menschen aus einer tiefen Leidenschaft leben, etwas was sie lebendig macht und begeistert. Ich vermute mal, dass die restlichen 8 Menschen zu oft Erfahrungen wie der kleine Müllmann gemacht haben, oder einen Ehepartner haben, wie ich es manchmal sein kann.

Worte können uns klein machen und beschämen. Worte haben diese Kraft.
 Wir können etwas, was uns begeistert hat, was uns wertvoll ist, einfach liegenlassen, weil wir den Stimmen so schnell glauben die sagen: "Du machst es doch eh nicht gut genug.", "das sind doch viel zu große Pläne", "das is doch lächerlich", "was denkst du denn wer du bist?", "andere machen das doch viel besser" und so weiter. Wir glauben diesen Stimmen viel zu schnell, weil sie oft genau das bestätigen was eine trübsinnige Stimme in uns schon lange sagt. Und wir geben auf halben Weg auf und viele von uns finden nie wirklich heraus, was uns wirklich lebendig macht.

Aber Worte können uns auch unglaublich Mut machen, können uns helfen unsere Leidenschaft anzufachen, den Weg bis zum Ende zu gehen und unser Strahlen noch vergrößern. Wie gut tut es,  wenn wir (ehrlich gemeinte!) Worte hören wie: "Das machst du toll", "Ich freu mich ja so mit dir", "Ich weiß, dass du das schaffen kannst", "weisst du eigentlich was für eine besondere Gabe du hast?" und so weiter. Diese Worte helfen uns und machen uns Mut aus unserer tiefsten Leidenschaft zu leben. 

Wie gut tun Menschen, die so ermutigende Worte sprechen. Menschen, die das, was wir schön finden wertschätzen - auch wenn sie es nicht immer nachvollziehen können, sie versuchen zu verstehen was uns daran fasziniert und warum es uns wichtig ist.
Sie zeigen mit ihren Worten etwas von Gottes Herz für uns:
 Die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch“, sagte Irenäus von Lyon. Und im großen Glaubensbekenntnis steht: Wir glauben an den heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht.“ 

Gott macht uns lebendig und immer wenn unsere Worte andere lebendig machen, dann sind wir unserem Schöpfer sehr ähnlich.

Der kleine Müllmann hat mich daran erinnert, dass ich so gerne so ein Mensch sein will, der mit seinen Worten andere zum Strahlen bringt und zum Leben ermutigt. Und langsam merke ich, dass genau das meine tiefste Leidenschaft ist.

sein schönstes Strahlen!


Freitag, 20. Februar 2015

Jetzt reicht`s: das Abendgebet

Es hat geklappt! Die letzten zwei Tage hat um 19h mein Handy geklingelt (und gestern habe ich sogar die Kirchenglocken gehört) und ich habe mit Samu das Abendgebet gesprochen. 
Am ersten Abend war es nichts mit gemütlichem Feierabend: kurz nach dem Gebet ist unsere Spülmaschine ausgelaufen und hat den Küchenboden überschwemmt und wir haben lange gebraucht um das Chaos zu beseitigen. Eine "Notsituation" - und trotzdem war innerlich bei mir irgendwie ein bisschen der Stress raus. Ob es an dem Grenzstein lag?
Und gestern wollte ich noch schnell zum Drogeriemarkt (der bis 20h geöffnet hat) weil unser Waschmittel leer war und ich DRINGEND noch waschen wollte- da hat das Handy geklingelt für`s Abendgebet und danach dachte ich: so, jetzt`s reicht`s für heute. Morgen ist auch noch ein Tag und ich hab mit Samu und meiner Nichte verstecken gespielt.

sein bestes Versteck!
Ich weiß, es sind erst zwei Tage und mal schauen wie es weitergeht (ich bin am Anfang meistens ziemlich begeistert- aber das dranbleiben fällt mir schwer). Aber es tut mir gut diese Grenze am Tag zu haben. Für den Moment Arbeit mal Arbeit sein zu lassen und bewusst den Abend zu beginnen.

den Kochlöffel zur Seite legen...

Reste genießen...

 noch eine Runde Shinkansen spielen (GRUß NACH JAPAN!!!!Wir denken an euch!)

und tanzen (wenn die Kraft noch reicht)

Feierabend.

Wenn ich abends so müde bin, dann tut es mir manchmal gut, wenn ich das Gebet nicht selber formulieren muss, sondern ich mich in Worte reinlegen kann, die ander schon formuliert haben (früher fand ich Liturgie eher verstaubt und leblos, heute beginne ich manches davon sehr zu schätzen).
Und wie versprochen - hier sind noch Abendgebete, für alle die von euch, die Lust haben mitzumachen: 

Ein liturgisches Gebet vom Haus der Stille, Betberg:

Unser Abendgebet steige auf zu dir oh Herr
und es senke sich auf uns herab dein Erbarmen.
Dein ist der Tag und dein ist die Nacht.
Lass, wenn des Tages Schein vergeht,
das Licht deiner Liebe uns leuchten.
Geleite uns zur Ruhe der Nacht
und vollende dein Werk an uns in Ewigkeit.
Amen.

Und hier das (etwas gekürtzte) Gebet meiner Oma:

Ach bleib bei uns Herr Jesu Christ, weil es nun Abend worden ist.
Des Tages Arbeit ist herum und stille wird es um und um.
Ach stille du auch unser Herz, wenn Sorge Furcht, Angst oder Schmerz
uns heut` im Leben hat bewegt und eh der Leib zur Ruh sich legt:
verbinde wieder in ein Band, was heut getrennt und feindlich stand.
Was ist das Leben in der Welt, wenn uns nicht deine Gnade hält?
Wenn uns nicht deine Wahrheit führt, wenn uns dein Wille nicht regiert?
Ach gieße deinen Segen aus, in unser Herz in unser Haus
und schließ uns diesen Abend noch, in deines Friedens sanftes Joch.
Bis sich des Lebens Abend neigt und unser Fuß zu Grabe steigt-
alsdann führ`uns Herr Jesu Christ, dahin wo du nun ewig bist.
Amen.

Und für alle, die um 19h noch lange keinen Feierabend machen können (mir geht es gut, ich weiß!), vielleicht ein Nachtgebet kurz vor dem Einschafen- der Abendsegen von Luther:

Das walte Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist! Amen.
Ich danke dir, mein himmlischer Vater,
durch Jesus Christus, deinen lieben Sohn,
dass du mich diesen Tag gnädiglich behütet hast,
und bitte dich,
du wollest mir vergeben alle meine Sünde,
wo ich Unrecht getan habe,
und mich diese Nacht auch gnädiglich behüten.
Denn ich befehle mich, meinen Leib und Seele
und alles in deine Hände.
Dein heiliger Engel sei mit mir,
dass der böse Feind keine Macht an mir finde.
Amen.


Mittwoch, 18. Februar 2015

40 Tage Feierabend

Meine Lieblingshaltung am vergangenen Wochenende war folgende: unbeweglich auf dem Sofa sitzen, Kopf in die Hände gestützt, Augen geschlossen, tief ein und ausatmen. Vielleicht ist das irgendeine Yogahaltung? Würde ihr den Namen geben: „erschöpfte Mutter grüßt den Abend“- eine Morgenübung wohlgemerkt!
Leider blieb für diese Übung wenig Zeit (der Sohn wollte nicht so recht mitmachen) und ich hab mich mehr schlecht als recht durch das Wochenende geschleppt.

„Wir brauchen einen Sabbat“, schimpfe ich und unterbreche den Mann, der am Wochenende viel für die Gemeinde arbeitet – was ja auch sein Job ist. Wir suchen immer noch einen guten Rhythmus, wie wir unter der Woche den Sonntag „nachholen“ können...bis jetzt ist es noch nicht so gut gelungen. 
Montag mittag habe ich aber meistens einen freien Nachmittag und ich bin immer noch am ausprobieren, wie ich in dieser Zeit am besten Kraft tanken kann (das artet dann auch manchmal in Stress aus, wie letzte Woche wo ich in ein Cafe in Esslingen wollte, aber ewig durch die Stadt gehetzt bin, weil ich es nicht mehr gefunden habe. AAAAHH. Ich hasse es wenn ich so verplant bin!).

Diesen Montag wusste ich, es braucht einen besonderen Ort. Ich habe zwei vertraute Plätze, zu denen fahre ich um innerlich runter zu kommen, mich „abzugleichen“- der eine Ort ist auf dem Betberg bei Freiburg (und ich versuche einmal im Jahr dorthin zu fahren), der andere ist eine kleine Bank, am Rande der schwäbischen Alb. Freiburg ist ein wenig zu weit, also bin ich am Montag Richtung Alb gefahren, in mir eine Mischung aus Müdigkeit, Heimweh und Hoffnung. 

Kurz vor dem Albtrauf bring die Sonne durch die Wolken. Wie schön. Ich parke, laufe über die verschneiten Felder, sehe von weitem meine Bank, mein Ort der Ruhe. Aber WTF ist das? Eine Horde Kinder nutzen den kleinen Abhang davor als Schlittenpiste. So sehr mich mich sonst auch über Kindergeschrei freue – bitte nicht hier! Ich keuche trotzdem genervt den Hügel hinauf bis zu meiner Bank und fasse es nicht: sie ist besetzt! Haben sich doch tatsächlich zwei Menschen erdreistet sich auf MEINE BANK zu setzen. Ich bin sauer auf Gott, kann er mir nicht den Platz reservieren, wenn ich den ganzen Weg hierher fahre? 


 Wütend stapfe ich weiter. Schwer sinken meine Schuhe in den Schnee, die Socken sind schon naß und es ist mühsam eine eigene Spur zu setzen. 



Ich komme auf einen Trampelpfad und finde mitten im Weg einen Grenzstein, auf den ich mich setze. 

Ganz langsam werde ich innerlich ruhiger. Mein Blick ruht auf der schneebedeckten Albhochfläche, ich bin dankbar dass ich hier sein darf, an diesem Ort an dem Gott mir schon so vieles in Herz geflüstert hat: durch den kargen Ackerboden, eine Schafherde die vorbeizog oder einfach auf meiner Bank liegend und in den Himmel starrend, die zerfledderte Bibel griffbereit.

Ich warte darauf, dass er mit mir redet und ahne plötzlich, dass er es schon getan hat: das Kindergeschrei, die besetzte Bank, die mühsamen Schritte, das Ausruhen auf dem Grenzstein, mitten im Weg. Als würde Gott mir damit zeigen, dass die Orte an denen ich in der Vergangenheit Ruhe gefunden habe nicht mehr "funktionieren": Kindergeschrei schon früh am Morgen, "besetzte" Wochenende, mühsames, müdes Vorwärtskommen. Was ich jetzt vor allem brauche sind Trampelpfade, Wege die andere schon vor mir gegangen sind, "Grenzsteine" auf die ich mich setzen kann, mitten im Weg. 

Meine Oma hatte so einen "Grenzstein". Unser Haus war direkt neben der alten Dorfkirche und wir hörten jeden Abend um 7 Uhr die Gebetsglocken läuten. 
Egal was meine Oma gerade tat -und sie war immer sehr beschäftigt- sie legte die Arbeit auf die Seite und betete das Abendgebet. Ich weiß noch, dass es ein seeehr langes Gebet war (meinem kindlichen Gefühl nach) und ich immer gehofft habe Oma ist nicht in der Nähe wenn die Glocken läuten, weil wir dann immer mitbeten mussten. Aber es war auch ein fester Punkt an dem wir wussten: jetzt beginnt der Abend, mit einem ganz anderen Rhythmus. Mein Blick ruhte auf Omas schwieligen Händen die auf der Küchenschürze ruhten, die immer ein Geruch nach Zwiebel verströmte, und ich betete leise ihren ruhig gesprochenen Worte mit: 
Ach bleib bei uns Herr Jesu Christ, weil es nun Abend worden ist.
Des Tages Arbeit ist herum, und Stille wird es um und um. 
So stille du auch unser Herz,
still Sorgen, Furcht, Angst und Schmerz....

Es war der Grenzstein mitten im Weg, ein altes Gebet wie ein Trampfelpfad den andere vor uns gegangen sind. Worte die ich damals nicht verstanden habe, die sich aber tief eingeprägt haben. Worte die den Feierabend eingeläutet haben. 

Vielleicht war es früher einfacher die Tagesarbeit abzuschließen. Die Läden im Dorf schlossen spätestens um halb sieben und man traf sich zum "Nachtessen".
Heute wird es nicht stille um und um ...ich kann noch bis 24h (!) beim Rewe um die Ecke einkaufen gehen, viele arbeiten abends noch lange, weil sie Schichtdiesnt haben oder Dinge erledigen die tagsüber liegengeblieben sind.  Die Einladung Kirchenglocken nimmt kaum noch jemand wahr, ein bewusster Feierabend zu einer festen Zeit ist doch kaum machbar, oder?
Aber vielleicht brauchen wir es heute mehr denn je? 
Feste Grenzsteine die uns sagen: jetzt ist es genug. Bete über dem was erledigt wurde und dem was heute liegenbleibt den Segen Gottes. Akzeptiere die Grenzen deiner Kraft, die Grenzen deiner Tage.

Ich weiß, dass es mir gut tun würde ein paar "Grenzsteine" aufzustellen: klare Zeiten wann ich schreibe und wann ich den Stift aus der Hand lege (bzw. den Computer herunterfahre), wann ich aufräume und wann ich den Putzeimer in die Ecke stelle, ein Grenzstein wann ich schlafen gehe, ein Grenzstein an dem ich einen Stop setzte in meinen Gedanken, in meiner Mitarbeit in der Gemeinde...wenn ich darüber nachdenke fühle ich mich schon wieder überfordert und falle in meine "erschöpfte Mutter grüßt den Abend" Position zurück. 
Aber ich weiß, dass ich das nicht alleine schaffen muss: Jesus wird mir helfen. Schritt für Schritt. Und vielleicht ist der erste Schritt ein kleines Gebet, abends um sieben. 

Heute beginnt die Fastenzeit und ich will es versuchen - mit Gottes Hilfe: 
ein 40 Tage Feierabend- Gebet (und Samu muss mitmachen, so wie ich damals). 
Ein Gebet, das mich daran erinnert: es gibt noch viel zu tun, aber ich werde nie alles erledigen. Es gibt ein genug (und mein "genug" von heute ist anders als mein "genug" von vor 10 Jahren!). Meine Kraft ist begrenzt, meine Tage sind begrenzt. 
Ein fester Grenzstein, mitten im Weg. 40 Tage. 

Ich kann nicht garantieren dass ich es schaffe. Wahrscheinlich werde ich es ab und zu auch vergessen (könnte mein Handy- Wecker stellen!).  Ich weiß nicht ob ich danach nicht doch noch weiter arbeiten werde, weil einfach zu viel unerledigt ist. Aber vielleicht wird sich etwas in mir verändern? Gebet soll ja tatsächlich manchmal etwas bewirken :-).

Und wer weiß: vielleicht wird der Grenzstein auch länger bleiben. Und vielleicht werden sich die alten Worte dem kleinen Sohn auch so einprägen wie mir. Jetzt versteht er sie noch nicht, aber ich könnte ihm diese alten Worte wie ein Erbe seiner Uroma weitergeben. Und vielleicht schaffe ich ja auch ein Mittagsgebet, und wir bekommen ein wöchentliches Sabbatessen hin und vielleicht...ach ja, ein Stein nach dem anderen.

Ich werde Ende der Woche hier ein, zwei Gebete aufschreiben, die wir die nächsten 40 Tage beten wollen- vielleicht hat ja der eine oder ander von euch Lust bekommen mitzumachen (ist doch viel besser als Schokolade fasten, oder? ).


Dienstag, 10. Februar 2015

Geschichten an den Wänden

Wenn ich zum ersten Mal bei Freunden zu Besuch bin, dann interessiert es mich vor allem wie die Wände gestaltet sind. Egal wie groß oder klein die Wohnung ist, wie schäbig oder elegant die Einrichtung... was an Bildern, Sprüchen und Fotos an den Wänden hängt, sind oft wie kleine Geschichten die davon erzählen was uns bewegt, was wir schön finden und was wir lieben.

Vor ein paar Tagen habe ich mir eine kleine Schreibecke in unserem Wohnzimmer eingerichtet. Und dabei habe ich gleich ein paar neue Bilder, Sprüche und Fotos an den "Baum" gehängt. 


Und weil  das Bloglesen ja wie ein kurzer Besuch im Leben des Anderen ist, dachte ich mir,  ich zeige euch einfach mal was meine Wände so erzählen. Schön, dass ihr da seid, schaut euch um, willkommen in meiner kleinen Ecke!



STILLE.
Dieses Schild hat eine Freundin für mich gemacht und erinnert mich an daran, wie dringend meine Seele es nötig hat still zu werden (ich weiß nicht warum ich das ständig vergesse!). Ruhig werden. In Jesus versinken. Wie in einen See mit glatter Oberfläche kann ich dann besser auf den Grund schauen von dem was mich bewegt, was ich brauche und wo ich hingehöre.

JESUS REDEEMS EVERYTHING.
Dieser Satz habe ich von Maggie Barakintze gehört. Sie war Zeugin einer Hinrichtung im schrecklichen Bürgerkrieg zwischen Tutsis und Hutus in Burundi. Sie hatte zu dem Zeitpunkt 7 Kinder adoptiert und weigerte sich den Rebellen zu sagen welche von ihnen zu welcher Völkergruppe gehörten. Nur knapp entgingen sie dem Tod. Später gründete sie das Waisenhaus "Masion Schalom" und hat in vielen Jahren über 10 000 Waisenkinder aufgenommen, Hutus und Tutsis. Sie sagt: " Ich weiß, ich kann keinen Krieg beenden, aber ich kann den Krieg in meinem Herzen und in dem Herzen der Kinder beenden. Liebe siegt. Jesus kann alles erlösen." 
Deshalb bedeutet mir der Satz sehr viel und er strahlt Hoffnung auf alle leidvollen, dunklen Geschichten dieser Erde.

Und ich liebe dieses Bild, von dem kleinen Sohn in unserem Urlaub vor fast 2 Jahren:


So wild er auch ist - manchmal steht er einfach nur eine ganze Zeit lang da und schaut und schaut und nimmt alles in sich auf.
Wenn wir  die guten Geschichten erfassen wollen, dann hilft es einfach still da zu sein, wach für das Alltägliche, interessiert an den Kleinigkeiten und dem Besonderen. Das will ich von Samu lernen.


In die Ecke habe ich diese Postkarte gehängt. Wir legen unsere Wünsche in Gottes Hände.
Ich habe diesen Satz in einer Endlosschleife in mir wiederholt, als ich blutend in einem Krankenwagen lag und dachte ich verliere meinen größten Herzenswunsch. Er war wie ein Anker den ich in Richtung Gott geworfen habe.
Die Karte erinnert mich daran, dass so vieles im Leben außerhalb meiner Kontrolle liegt, dass es keine Garantien gibt, dass ich immer wieder alles in Gottes Hände legen will. 

Darüber ist ein Geschenk von Samu. "Ein Stück Himmel für dich, Mama!", hat er gesagt. Ich muß jedes Mal lächeln, wenn ich es anschaue. Es macht mich dankbar für alles Gutes was heute da ist.


Auf dem Schreibtisch liegt ein Zettel mit diesem Satz, den ich vor ein paar Tagen von Vicky Beeching gehört habe. Die christliche Musikerin berichtet über ihr comeing out und die langen inneren Kämpfe in den Jahren davor. An ihrem 35. Geburtstag hat Vicky sich entschieden ihr Schweigen zu brechen und ihre Geschichte zu erzählen. Damit hat sie ein Fenster aufgestoßen, für sich, heraus aus Scham und Isolation, und anderen Mut gemacht und gezeigt, dass sie nicht alleine sind. Ehrliche Geschichten können so etwas.

Apropos Mut: dieses Zitat von Emily Freeman habe ich auch an die Wand gehängt:


Das will ich: Mich selbst anschauen, wie ich bin (nicht wie ich gerne wäre) und gleichzeitig Vertrauen, dass Jesus durch meine Schwachheit durchleuchtet wie Sonnenstrahlen durch ein zerbrochenes Gefäß. durch mein Mensch-sein,  auch durch mein Dunkel und meine Kämpfe, durch die Worte, die von meinen faltigwerdenden Händen auf den Bildschirm gebracht werden.

Unsere Geschichten sind größer als wir.
 
Wenn wir genau hinhören und sie miteinander teilen, können sie uns ermutigen, können wir erfahren, dass wir nicht alleine sind. 
Manche Passagen können wir frei schreiben, manches wird vorgegeben, ist außerhalb unserer Kontrolle, aber die Art wie wir darauf reagieren, wie wir die Dinge sehen, wem wir uns anvertrauen...das alles gibt der Geschichte die entscheidende Richtung.

Einige Geschichten liegen noch im Dunkeln, andere lassen schon das gute Ende ahnen.

JESUS REDEEMS EVERYTHING.

Das macht mir Mut mich in meine kleine Ecke zu setzen und zu schreiben.

Mittwoch, 4. Februar 2015

Die lieben Nachbarn und der fiese Typ in meinem Herz

Auf manche Begegnungen könnte ich gerne verzichten. So wie diese, vor ein paar Tagen: Ich bringe Samu zur Kita und meine ältere Nachbarin ruft mir zu:
 
Ach wie schee, geht dr Bub in dr Kindergarda? Dann kennet se jetzt endlich wieder was schaffa ganga!“ 

 Übersetzung für Nichtschwaben:
Wie gut, ihr Sohn geht in den Kindergarten, dann können sie endlich wieder arbeiten gehen.“ 
 
Übersetzung in meinem Kopf:
Jetzt wo ihr einziges Kind morgens nicht mehr zuhause ist, werden sie doch hoffentlich wieder ein nützlicher Teil der Gesellschaft werden und mehr arbeiten gehen und nicht weiterhin faul zuhause rumhängen!“

Mag sein, dass das ein bisschen zu frei übersetzt ist, aber ich kenne die Schwaben. Und weil ich selbst dazugehöre antworte ich lächelnd: „Ja, ja“ und sage nicht das, was ich eigentlich sagen sollte:
Nein. Mein Sohn schläft nachts noch sehr schlecht, ich bin oft so müde, dass ich wie ein Zombie durch die Gegend laufe und bete, dass meine Kraft bis abends reicht und ich nicht schon am frühen Nachmittag hysterisch weinend zusammenbreche. Danke für ihre freundliche Nachfrage aber, NEIN. Ich werde vorerst nicht noch mehr arbeiten gehen. Einen schönen Tag noch!“

Aber ich sage es nicht. Vielleicht deshalb, weil ihre Worte nur eine Wiederholung dessen sind, was mein eigener innerer Antreiber, dieser fiese Typ, mir oft genug sagt: 
"Du solltest wirklich mehr auf die Reihe bekommen. Von was bist du denn so fertig, ich meine -hallo: du hast ja nur ein Kind! ...." Und dann zeigt er mir die anderen Mütter.  Natürlich nicht diejenigen denen es so ähnlich geht wie mir, sondern die "Supermamis" die ihre 5 Kinder gut gestylt schnell in der Kita abgeben und dann voller Elan und Leichtigkeit (so bilde ich mir das zumindest ein)  zur Arbeit gehen. Ich habe mir angewöhnt Samu auch schnell abzugeben und zurück zum Auto zu spurten. So sehe ich wenigstens so aus als wäre ich auf dem Weg zu einer wichtigen Geschäftsbesprechung, haha. Aber ich gehe nur schnell nach Hause (und ich schließe leise das Gartentor hinter mir zu und hoffe die Nachbarn stehen nicht hinter dem Fenster und sehen, dass ich schon wieder da bin).


ob die Nachbarin auch diese Treppenstufen besprüht hat?!

Ach, habe ich schon erwähnt, dass ich die Mitarbeit beim Asylantenheim jetzt vorerst auf`s Eis gelegt habe? Ich habe es wirklich versucht, bin immer wieder hingegangen um dann doch festzustellen: meine Kraft reicht auf längere Sicht leider dafür im Moment nicht aus.
So sieht`s aus Freunde. Es reicht nicht mal zum ehrenamtlichen Dienst.

Wenn die ganzen anklagenden Stimmen mir mal wieder das Leben schwer machen wollen, dann hilft es, wenn ich über mich selbst so nachdenke als wäre ich eine gute Freundin von mir und jemand um den ich mich sorge und dem ich gutes will (klingt ein bisschen schizophren, ich hoffe ihr wisst was ich meine).
Dann würde ich mir das alles anhören und mir würde so vieles einfallen was ich gerne dazu sagen würde: „Mach dir doch keinen Stress. Sag dem fiesen Typ in dir, er soll gefälligst die Klappe halten. Hör auf dich zu vergleichen. Ist doch scheissegal was andere über dich denken (wenn sie überhaupt über dich nachdenken!). Schau mal wo du herkommst, wie du jahrelang über deine Grenzen gelebt hast, du brauchst Erholung und das nicht nur zwei Tage um dich dann wieder kaputt zu machen...“ Und alles das wäre richtig und wahr. Und ich muss es immer wieder hören.

Aber ich glaube was ich am meisten hören müsste wäre:
Christina, was sagt denn Jesus zu dir? Ist das nicht wichtiger was die Leute sagen und was du selber über dich denkst? Kannst du ihm vertrauen?

Und wenn ich die sanfte Stimme in mir, von der ich hoffe dass es Jesus ist, richtig verstehe, dann sagt sie mir etwas ganz anderes als meine Nachbarin und mein unruhiges, angetriebenes Herz. Sie sagt mir, dass ich zur Ruhe kommen soll, dass ich nichts beweisen muss, dass ich Zeit brauche um heil zu werden, ein wenig öfters in die Sonne zu sitzen, meine Lieblingsbücher zu lesen, zu schreiben und durchzuatmen. 

Diese Worte klingen nach einer guten Nachricht. Sie klingen aber auch nach einer guten Ausrede. Aber eigentlich denke ich nicht, dass es das ist. Eigentlich glaube ich tatsächlich, dass Jesus das zu mir sagt.
Und darum geht es doch bei der ganzen Sache mit Gott und dem Glauben, oder? Dass ich mich entscheide auf die richtige Stimme zu hören und ihr zu vertrauen. Egal was die andern sagen. Das will ich wirklich lernen.

"Know that you`re loved and live like it`s true." E.Freeman

Und noch eine gute Nachricht die ich in diesen Tagen bekommen habe: ich habe nun tatsächlich den Auftrag ein Buch zu schreiben. Bis August soll das Manuskript fertig sein. Deshalb werden vielleicht in den nächsten Wochen die Blogbeiträge etwas kürzer, aber ich werde auf jeden Fall versuchen weiterhin jede Woche ein kleines „Lebenszeichen“ schicken.

Und für meine Nachbarin kann ich ja ein Schild basteln: 
Ich arbeite von Zuhause aus. Bin jetzt Schriftstellerin.
(Aber bei den Schwaben ist so ein Geschreibsel über sich selbst ja auch „nix gscheites.“, von daher lasse ich es wohl lieber).