Dienstag, 24. November 2015

Warum werde ich nicht satt?

Eine total erschöpfte Mutter, an der einen Hand eine schwere Tasche und ein Laufrauf, an der anderen Hand ein heulendes, sich weigerndes Kind, das schimpfend durch den H&M geschleift wird. 
Wie oft dachte ich bei so einem Anblick kopfschüttelnd: liebe Frau, schau dich an, schau dein Kind an und GEH EINFACH NACH HAUSE. 
Letzten Samstag war ICH diese Mutter.  Und eigentlich wollte ich auch nach Hause. Aber in mir war so ein gewaltiger Hunger und ich dachte: wenn ich nur irgendein billiges Teil hier finde, das mich ein bisschen ansehlicher macht, dann geht es mir bestimmt besser. Ich habe NICHTS gefunden. Habe mich über dem kleinen Sohn erbarmt und das Projekt "wir-machen-die Christina-schönundglücklich" abgebrochen. Auf dem Rückweg saß ich in der völlig überfüllten Straßenbahn, Sohn, Tasche und Laufrad auf dem Knie, und ärgerte mich über mich selbst. Was war nur los mit mir?
Ich war an diesem Morgen so unzufrieden aufgewacht. Ein heftiger Streit vom Vorabend mit Heio hing mir noch in den Knochen.  Wir hatten uns vor dem Schlafen wieder so einigermassen versöhnt, trotzdem fühlt sich mein Herz noch schwer an, überzogen mit eine dunklen Staubschicht- wie nach einem Vulkanausbruch (in dem Fall war ich der Vulkan und Heio derjenige, der dummerweise in der Nähe war und nicht schnell genug weglaufen konnte).Der Grund für meinen Ausbruch war so dumm und ungerechtfertigt, dass ich nichtmal darüber schreiben will. Wahrscheinlich war am Tag vorher schon was nicht ganz in Ordnung in mir. Vielleicht weil ich eine Woche "alleinerziehend", halb krank zuhause hing, NIEMAND angerufen hat- außer meiner Mutter (was eigentlich kein Wunder ist, weil ich ständig meine Freunde wissen lasse, dass ich es hasse zu telefonieren!) und einige schräge Gedanken und Sorgen vielleicht ein bischen zu viel Aufmerksamkeit bekommen haben. Meine Seele hat also ziemlich laut "HUNGER" geschrien und der einzige Ort der mir einfiel an  dem ich vielleicht satt werde, war der schwedischen Klamottenladen. Ganz schön armselig. Ich weiß.
Schlecht gelaunt und mit NOCH MEHR Hunger kam ich zurück. Die Aussicht, dass wir Abends Freunde besuchen wollten die wir seit Jahren nicht gesehen hatten drückte meine Stimmung noch mehr. Nicht weil ich die Freunde nicht gerne sehen wollte, sondern weil ich mir dachte: bis heute Abend muß ich irgendwie wieder mein inneres Gleichgewicht finden, auf freundlich und nett umschalten und ich habe heute einfach nicht die Kraft dazu. Kennt ihr das?
Wir gingen trotzdem hin. Ich habe tief Luft geholt und dann sind wir die Treppen bei unseren Freunden hochgestolpert in eine warme Umarmung die  den ganzen Abend angehalten hat. Leckeres Essen, ehrliche und mutmachende Gespräche und entspannte  Mienen unserer Gastgeber zu Samus wilden Turnübungen auf ihrem Sofa. Wir fuhren nach Hause und mein Herz war übervoll mit Dankbarkeit.
Sonntag war kein Gottesdienst. Wir saßen bis mittags im Schlafanzug in der warmen Küche und bastelten spontan zusammen. Es war toll. Die strahlenden Augen von Samu sagten mir, dass wir an diesem Morgen mal alles richtig gemacht haben. 

unsere tollen Bastelversuche. Egal was rauskommt: der Weg ist das Ziel:-)

Dann haben wir uns wieder auf den Weg zu Freunden gemacht. Eine Schüssel Salat und Apfelsaft unterm Arm. Und es war wie am Abend zuvor: Gutes Essen und gute Gespräche. 
Lachen. Ermutigung zwischen den Worten. Und ein wunderbarer Spaziergang. 
 
ein Stadtkind auf dem Land

der Versuch schöne Paarbilder zu machen, bei denen Heio nicht im Hintergrund auftaucht

 
und im Wald fiel ganz plötzlich leise der Schnee
unter Mammutbäumen
 
danach Aufwärmen mit Schokokuchen
 Auf dem Rückweg spürte ich ein ungewohntes Gefühl in mir: meine Seele fühlte sich satt an. 
Nun sehen unserer Wochenenden nicht ständig so aus, dass wir von einer wunderbaren Einladung zu anderen marschieren. Überhaupt nicht. Vielleicht war dieses Wochenende ein ganz besondere Geschenk für mich - eine Erinnerung von Jesus, dass er genau weiß, was meine Seele braucht um satt zu werden (und ich auch öfters mal von alleine drauf kommen könnte:-)).

In einem Interview mit Bill Hybels las ich neulich etwas darüber, wie wichtig es seiner Meinung nach ist, dass wir lernen nach Wegen und Aktivitäten Ausschau zu halten, die uns im Tiefsten erfrischen und gut tun und anstatt ständig auf Dinge zurückgreifen, die uns nur ablenken und oberflächlich  das Hungergefühl nehmen.
Mein Problem ist, dass ich die oberflächlichen Ablenkungen viel besser verinnerlicht habe und sie auch meistens viel schneller griffbereit sind und weniger Aufwand brauchen. Ich reiße eine Tüte Chips auf, setze mich vor den Fernseher, surfe durch`s Internet, klicke mich hungrig von einem Blogartikel zum nächsten, hoffe auf nette Kommentare, gehe shoppen (geht ja sogar auch ganz entspannt im Inernet:-))... alles an sich keine schlechten Dinge. Nur absolut nicht dazu geeignet, mich wirklich satt zu machen. 
Aber was macht mich satt? Bill Hybels schreibt begeistert von seinem Segelboot und ich denke: Toll, sowas hätte ich auch gerne, ich bräuchte Urlaub oder wenigstens ein Wellness-Wochenende. Aber wenn ich ehrlich bin, dass weiß ich, dass es nicht die "großen Dinge" braucht.  Was mich satt macht ist:

Gute Begegnungen mit Freunden.

Ein gutes Essen. (auch wenn ich mal nur für mich alleine koche)

Die Natur. In die Sonne sitzen oder Abends durch den frisch gefallenen Schnee laufen. Bäume anschauen. Mich mit etwas umgeben was ruhig, größer und unveränderbarer ist, als mein kleines Leben.

In Ruhe eine Tasse Kaffee trinken und über all das nachdenken für das ich dankbar bin.

Meine "Trost-Dinge": Ein schönes Buch, schöne Musik oder ein guter Film. Alles Dinge die etwas in mir anrühren und einer Sehnsucht Raum geben, die sich sonst immer nur knapp unter der Oberfläche bewegt.

Stille. Meine Seele dem freundlichen Flüstern zuwenden, von dem ich hoffe, dass es die Stimme von Jesus ist. 

Jemand etwas mutmachendes sagen oder etwas kleines für jemand tun und merken, dass es genau das Richtige war.

Mit dem Sohn mal ganz in Ruhe eine Runde basteln. 
Mit Heio enspannt Zeit zu verbringen, ohne Erziehungsgeschichten oder irgendwelche Probleme zu diskutieren. Einfach zusammen SEIN.

Johanna Klöpper schreibt in ihrem wunderbaren (sehr zu empfehlenden!!!) Buch Leben ist das neue Sterben den Satz: Richtig ist oft klein, leise und unscheinbar.  
Das gefällt mir. Ich glaube oft sind auch die Dinge die unsere Seele satt machen klein, leise und unscheinbar. Aber wir spüren: Ach, das war jetzt genau richtig. Das hat gut getan.

Und auch der  Momente in dem ich mich dazu entscheiden kann kommt oft klein und leise. Wie eine stille Frage ob ich mich jetzt nur oberflächlich ablenken oder den Weg einzuschlagen will von dem ich weiß, dass er mich ein bisschen mehr satt machen und tiefer erfrischen kann. 
Ich wünsche uns allen, dass wir immer öfters richtig abbiegen. Zu den Dingen von denen wir wissen, dass sie unserer Seele gut tun. Und die uns für den Moment- und auch ein bisschen länger- tatsächlich richtig satt machen können.

Mittwoch, 18. November 2015

Ein Stern für die Ermutigung

Heute habe ich eine kleine Bitte an Euch. Normalerweise mach ich sowas nicht, weil ich finde wir bekommen ständig und überall Aufforderungen etwas anzuklicken, irgendwo abzustimmen oder bei einer total wichtigen Petition zu unterschreiben. Der Blog hier soll ein zweckfreier Raum sein bei dem ihr einfach in Ruhe vorbeischauen und meine Gedanken lesen könnt und hoffentlich ein bisschen  dabei ermutigt werdet.
Das hier ist eine Ausnahme, einfach weil mir die Sache sehr am Herzen liegt:
Meine Freundin Tanja hat zusammen mit ein paar Künstlern und Pädagogen seit einiger Zeit ein Projekt gestartet das sich Props nennt  (Props steht im Hip-hop/Skater Umfeld für Lob). Im Sommer wurde der Props e.v. gegründet und ist nun ein gemeinütziger Verein - in dem ich auch Mitglied bin.

in der Sommerhitze studieren wir die Satzung in unserem Garten

Bei der Sache geht es darum durch Kunst-Kultur-Projekte an Brennpunktschulen benachteiligte Jugendliche und junge Fchtlinge zu ermutigen und sie erleben lassen, dass sie wichtig sind und etwas zu geben haben. Ich war schon bei so einer Aufführung dabei, die am Ende einer solchen Woche stehen kann und fand es einfach überwältigend (hier habe ich darüber berichtet).
Nun lebt so ein Projekt nicht nur von den tollen Mitarbeitern, sondern auch davon, dass es finanzielle Förderung bekommt. Bei www.kirche-macht-was.de kann man so eine Förderung gewinnen. Das Projekt "Props" wurde mit einigen andern ausgewählt und steht nun zur Abstimmung (leider bekommt nur das Projekt Unterstützung das auf Platz 1 landet). 

Ihr könntet mithelfen wenn ihr
1. diese Seite anklickt
2.  euch unter "anmelden" mit mail und Passwort registriert
3. die mail, die ihr daraufhin in euer Postfach bekommt bekommt anklickt
4.euch auf der Seite  mit eurem Passwort anmelden und
5. "Props" einen Stern vergebt (unter "nachhaltige Initativen" zu finden)
dann wäre das eine tolle Sache!!!!
 (Bis zum 24.11. läuft die Abstimmung noch).

  Tanja schreibt:
Props ist der sichtbar gewordene Teil einer Vision, die mir Gott schon vor einigen Jahren für Stuttgart aufs Herz legte. Ich glaube, dass er mit den Themen "Wertschätzung" und "Ermutigung" unsere Gesellschaft verändern möchte.
Bitte unterstützt uns darin! Angesichts der aktuellen politischen Lage in Deutschland sind unsere Vision und unsere Ziele relevanter denn je…

Vielen Dank wenn ihr mitmacht -gerne könnt ihr das auch auf euren sozialen Netzwerken verlinken. Wer weiß- vielleicht gewinnen wir ja! Falls ja, lasse ich`s Euch wissen:-).
Wie gut, dass es Menschen mit Träumen und Visionen gibt und die bereit sind dafür ihre Zeit und Kraft in andere zu investieren, oder? Und wenn wir sie mit einem Klick dabei unterstützen können, dass ist das eine gute Sache, finde ich.
Danke an alle von euch, die sich kurz Zeit dafür nehmen!!!!  


Ermutigung sagt nicht: Hey, hier bin ICH!
Ermutigung sagt: Hey, hier bist DU!
Ermutigung gräbt unbeirrt an den dunkelsten Orten
und hebt ungeahnte Schätze.
Ermutigung ist großzügig, verteilt zweite Chancen und
feiert das Leben, wo immer es zu finden ist.  
 

Dienstag, 17. November 2015

Tränen trocknen lassen.

Samstagmorgen. Der  kleine Sohn hat sich in`s Bett geschlichen und kuschelt sich neben mich. Heio kommt von draußen (der alte Frühaufsteher) und flüstert mir in`s Ohr: "In  Paris war gestern ein schlimmer Anschlag." Ich erschrecke. Samu spürt, dass etwas nicht stimmt, fragt nach was los ist. Während ich versuche ihn zu beruhigen, breiten sich durch Heios geflüsterte Worte die Bilder der schrecklichen Ereignisse in meinem Kopf ausIch drücke den Sohn fest an mich. Wie soll ich ihm diese kaputte Welt erklären?  
 Am liebsten will ich wegschauen und doch schalte ich den Fernseher an. Will die Bilder sehen. Um mitzuleiden. Bestimmt. Aber das Schlimme hat auch eine merkwürdig aufwühlende Anziehungskraft. Was ist da kaputt in mir?
Meine Worte zum Beten werden weniger. Es geht mir wie Samu, wenn er in eine Situation kommt, die ihm Angst macht: Er hält mich ganz fest und flüstert "Mama, will bei dir sein." Und dann ist er oft ganz verzweifelt weil er nicht aufhören kann zu weinen. Es wird erst besser wenn ich ihm jede Tränen einzeln abtrockne.  Ich sage zu Gott gerade oft nur: Will bei dir sein. Und dann lasse ich mich und unsere schmerzerfüllte Welt, von ihm halten. Und ich vertraue darauf, dass er neben uns hergeht und bereit ist jede einzelnen Träne abzuwischen.


Abends sind wir in der Gemeinde meiner Schwester. Dort berichten ein  Team von jungen Mädels und zwei Jungs von ihrem Sommereinsatz auf den Philippinen (habe hier schonmal darüber geschrieben). Ehrlich erzählen sie von Schwierigkeiten vor Ort, dem Gestank auf den Müllkippen, von Kindergefängnissen und der bohrenden Frage: Was kann man bei dem ganzen Elend nur tun? Ist nicht alles nur ein Tropfen auf den heissen Stein?  Trotzdem machen sie weiter. Umarmen Kinder. Spielen mit den Jungs eine Runde Fußball, machen den Mädchen einen wunderschönen, denkwürdigen Abend und sagen so oft sie nur können: "Ihr seid wertvoll. Ihr seid geliebt." 
Sie verschenken liebevoll zusammengestellte Päckchen. Darunter auch ein schön gestaltetes Taschentuch. Zum Tränen abwischen.  Und selbstgebastelte Gebetsbändchen mit einem kleinen Stein in Herzform die dem Kind sagen: Eine Frau aus Deutschland wird ab jetzt für dich beten. Bei den wöchentlichen "Feedings" (Essensausgaben für die Straßenkinder) treffen sie die Kinder immer wieder, an ihren Handgelenken funkeln die kleinen Steine im Dunkel. 

 Ich bekomme ein Bild von "meinem" Mädchen. Es ist als hätte mir Gott damit ein ganz besonderes Geschenk gemacht. Ab jetzt wird ein kostbarer neuer Name in meinen Gebeten sein. Damit habe ich jetzt drei Kinder:-).  Samu. Amon, mein Patenkind in Uganda. Und nun: Diana. Mein Mädchen auf den Philippinen. Dem ich vielleicht hier auf der Erde nie begegne. Das wahrscheinlich weiter viel Leid und Elend erleben muß. Gebete wie kleine Tropfen. Wie ein kleiner funkelnder Stein in ihrem Dunkel. Meine Arme reichen nicht auf die Straßen ihrer Stadt. Aber Gott ist da. Er geht neben ihr her, bereit jede einzelne Tränen abzutrocknen wenn sie traurig ist. 
 Angesichts von Terror und Not kann man sich ängstigen und resigniert aufgeben. Aber der Abend mit diesen tollen jungen Leuten macht mir wieder Mut: es sind die kleinen Dinge, kleine Samen, die das Potential haben die Welt zu verändern.  Umarmungen. Ein kurzer Besuch. Ein Stück Brot im Dunkel weitergereicht. Eine Wahrheit die ausgesprochen wird. Du bist geliebt. Ein Gebet.

Vielleicht bricht Gottes Reich genau da an wo wir  heute ein Taschentuch weiterreichen, ein paar Tränen trocknen und wo wir uns selbst von Gott umarmen und uns trösten lassen.




Unsere Welt braucht Hoffnung. WIR brauchen Hoffnung.  Für uns. Für unsere Kinder. Am Ende des Tages ist die Liebe stärker als alles andere. Stärker als das Leid. Sogar stärker als der Tod. Das glaube ich.



Mittwoch, 11. November 2015

Life goes on without me.

Seit Mitte letzter Woche hat mich so ein richtig fieser Virus erwischt. Anstatt den "November-Sommer" zu genießen, liege ich hustend und schnupfend im abgedunkelten Schlafzimmer und versuche wieder zu Kräften zu kommen. Ich versuche auch die Nachbarn zu ignorieren die seit Tagen ihren supertollen Vorzeige-Streber-Garten winterfest machen (irgendwie macht es mich leicht agressiv -daneben sieht dann unser Garten nämlich noch chaotischer aus). 
Ich habe keine richtige Bett-Lektüre und Heio sieht seine Chance gekommen, mir endlich eins seiner Lieblingsbücher auf`s Auge zu drücken: Anna Karenina. Von Tolstoi. Den ich immer mit Tolkien verwechsle. Soviel zu meinen Kenntnissen über die Weltliteratur. 
 Mein Lieblingsmann ist überzeugt davon, dass ich dieses Buch lieben werde. Er weigert sich mir die guten Stellen vorzulesen. "Du mußt die Geschichte ganz durchlesen, sonst bringt es nichts", sagt er mir. Er hat mir sogar eine Übersicht mit allen beteiligten Personen gemacht. Das ist sehr hilfreich. Nicht nur weil so viele Namen im Buch vorkommen, sondern weil auch noch auf jeder dritten Seite eine andere Variation davon steht (so logische Abkürzungen wie Ljewin für Konstantin oder Stiwa für Stjephan). Netterweise wird meistens noch angegeben auf welcher Silbe man die Namen betonen soll (hallo- ich bin froh wenn ich weiß wer mit den Namen gemeint ist, soll ich auch noch lernen sie auszusprechen?).  Ich stolpere also mit vernebeltem Kopf durch die alte Geschichte von Zaren, Prinzessinen, Leibeignene und russischen Bauern die fröhlich unseren Nachbargarten umgraben. Eigentlich mag ich keine Historien-Bücher oder wie das heisst. Ich lese viel lieber aktuelle Romane. Aber langsam packt mich die Geschichte...

der Umschlag sieht aus wie ein Schundroman- finde ich:-)

Heios Spickzettel

Ach, so vieles wollte ich erledigen. Freunde treffen. Babybauchfotos machen. Einen Geburtstag und eine Party mitfeiern. Und das Wetter wäre ideal um die Bettwäsche zu waschen und den Balkon aufzuräumen... Aber wenn ich so richtig flach liege wie in diesen Tagen, dann merke ich, dass ganz viel von dem was ich denke was dringend sein MUß eben auch liegenbleiben kann.  Zuerst wehre ich mich noch dagegen, mache noch halbe Zusagen und fege schwitzend und hustend die Wohnung. Dann gebe ich auf. Ich merke: Besuche kann man auch verschieben. Freunde können auch andere wunderbare Menschen treffen. Mein Nicht-Erscheinen wird eine Party nicht zum erliegen bringen. Wenn ich keinen Blogeintrag schreibe, könnt ihr, meine geschätzten Leser, einfach auf eine andere Seite klicken um dort einen interessanten Text zu lesen. Und sogar Samu kann zeitweise erstaunlich gut ohne mich spielen und toben
Ja, die Welt dreht sich weiter. Ohne mich. Das weiß ich ja eigentlich, aber es ist gut und heilsam, wenn ich das ab und zu erlebe. Da ist nämlich irgendein "Christina-Gen" in mir das mir sonst ständig erzählt wie wichtig und unersetzbar ich bin und mich antreibt- solange bis ich in`s Bett falle und wieder merke, dass es auch ohne mich geht.

der Garten wird - ganz ohne mich- gefegt (gut, ich hätte es natürlich besser gemacht:-))
 Ich glaube ab und zu ist es gut sich bewusst zu machen, dass diese Welt sich gedreht hat bevor wir geboren wurden und auch nachdem wir hier waren wird es weitergehen (es sei den Jesus kommt vorher wieder :-))  
Wir sind heute nur ein kleiner Teil der großen und ewigen Geschichte die Gott mit uns Menschen schreibt. Der Gott, der schon  lange vor mir war und der heute da ist und immer da sein sein wird. Irgendwann sind unsere Geschichten auf dieser Erde alle "History-Romane" in denen andere vielleicht noch eine zeitlang lesen, aber über die wieder neue Geschichten geschrieben werden. Meine Hoffnung liegt darin, dass ich Teil der großen Geschichte Gottes sein darf. Dass er meinen Namen nicht vergißt. Dass er ihn am Ende voller Liebe sagen und ihn so aussprechen wird, dass ich genau weiß: unter den zig Tausend Christinas der Geschichte, meint er jetzt mich.  

Vielleicht hört sich das alles ein bisschen fatalistisch an -vielleicht hat mich ja die Schwermut der russichen Seele gepackt. Aber je älter ich werde, umso mehr merke ich: es ist wichtig für mich zu erleben, dass Dinge auch nach mir weitergehen. Dass mein Bezugskind auch nach meiner Kündigung wieder eine tolle Betreuerin hat. Dass eine frühere Freundin jetzt eine andere enge Vertraute hat. Dass in der Gemeinde die Lücken geschlossen werden, wo ich einen Schritt zurückgemacht habe. (Wie ich in unserer Gemeindeleitung war und mich total aufgerieben habe sagte ein kluger  Freund zu mir: "Christina, glaub doch nicht dass du den Laden aufräumen mußt, wenn 2000 Jahre Kirchengeschichte nicht dazu gereicht haben." Das hat mir geholfen:-)).
Wenn ich ab und zu ein bisschen darüber nachdenke (und es auch erlebe) dass das Leben ohne mich weiter geht, kann es mich mit heiterer Gelassenheit erfüllen. Mit Demut.  
 Und es kann ein bisschen den Druck rausnehmen aus meinen Tagen an denen ich oft alles schaffen, klären und erledigen will. (von der heiteren Gelassenheit bin ich leider noch meilenweit entfernt- das kann euch mein Mann bestätigen. Aber ich arbeite dran!)
  Ich bin Teil einer viel größeren Geschichte. Heute kann ich meinen kleinen Teil geben. Und mich an den Dingen unserer kaputten und doch immer noch so wunderbaren Erde freuen. Da sein. Erledigen was geht und liegenlassen was nicht geht (zur Not für die nächste Generation:-)). Ich will lernen meine Pläne und mich selbst nicht ganz so wichtig nehmen.  Tief Luft holen. Mich umschauen. Ein uns ausatmen. Das Leben wahrnehmen. Und mich einfach freuen, dass ich heute dabei sein darf.

unsere schöne,vergängliche Welt.