Dienstag, 13. Juni 2017

This is where I heal my hurts.

Montagmorgen. Noch nicht ganz ausgepackte Taschen. Mein Herz quillt über wie der Wäschekorb - voller Eindrücke und Gedanken über die vergangenen Tage. Dankbarkeit. Vor allem Dankbarkeit. Ich setzte mich an den Computer, beantworte dringende Mails und sortiere die ersten Bilder der Gemeindefreizeit. Im Hintergrund läuft das beruhigende Summen der Waschmaschine. Die Fotos bringen mich zum Lächeln.   What good is a good life if I can’t see it? , das habe ich vor ein paar Tagen in diesem wunderbaren Artikel von Megan Gahan gelesen. Wie wahr ist das! Was nützt das Gute, wenn wir es nicht wahrnehmen? Also schaue ich es an. Ich freue mich an dem was Gott unter uns tut. Dass ich Teil einer Auferstehungsgeschichte sein darf, die mir für den Rest meines Lebens Mut machen wird. Dass seine Geschichten manchmal erst dann so richtig anfangen, wenn wir denken das letzte Kapitel wird gerade geschrieben. Plötzlich pulsiert wieder sanftes, junges Leben in uns. DANKE JESUS!!!!

















 
Egal wo ich hinschaue: ich sehe Gottes Fingerabdrücke. Leben bricht auf. Ich kann einfach nur staunen. Zeuge sein. 
Und natürlich gab es auch andere Momente dazwischen: Tränen. Schreiende Babys. Erschöpfte Mamas. Schlaflose Nächte. "Phantomschmerz" in manchen Herzen  über die Lücke von Menschen, die nicht dabei waren, oder über das Glück der anderen, das sich im eigenen Leben einfach nicht einstellen will.   Mir selbst ging es phasenweise auch nicht so gut. Ein übler Migräneschmerz hatte sich gleich am ersten Abend in meinem Kopf festgekrallt und wollte einfach nicht mehr loslassen. Ich lag also öfters mal alleine im abgedunkelten Zimmer. Diese Momente sind ein bisschen wie der "Negativ-Film", dieser kleine Schwarz-weiß-Streifen der, im analogen Zeitalter,  meistens zuerst aus der Papiertüte fiel. (manche erinnern sich) Darauf erkannte man die Bilder immer kaum, weil sie die umgekehrte Beleuchtung hatten. Ich glaube machmal erleben wir das auch in der Gemeinschaft:  Die hellen Momente der anderen, legen sich als Dunkel über unsere Seele:

Das lachende Baby. 
Das ermutigende Wort für den Nebensitzer. 
Der innige Kuss eines Liebespaares.
Die Gotteserlebnisse anderer. 
Die Geräusche von aneinanderklirrenden Bierflaschen und von fröhlichen Gesprächen, die ins abgedunkelte Zimmer dringen. 

Am letzten Abend, ein Lobpreisabend, lief meine Migräne nochmal richtig zu Hochform auf. Während die meisten um mich herum fröhlich Gott lobten wäre ich am liebsten zur nahen Bahnschiene gelaufen und hätte meinen schmerzenden Kopf auf die kühle Schienen gelegt und auf den nächsten Zug gewartet. Nicht dass ich es wirklich getan hätte. Aber ehrlich: so düster sah es in mir aus. Ich gab Heio zu verstehen, dass ich aufs Zimmer gehen würde und dass ich dankbar wäre, wenn vielleicht noch jemand kurz Zeit hätte für mich zu beten. Ein Hilferuf den ich nur dann absetze, wenn ich merke: Jetzt geht gar nichts mehr. Also saß ich auf meiner Bettkante in der verzweifelten Hoffnung, dass um diese nachschlafende Zeit sich noch jemand erbarmen und kurz, zusammen mit Heio, für mich beten würde. 
Nach einer Weile ging vorsichtig die Tür auf. Da stand einer meiner Lieblingsbrüder, lächelte vorsichtig und meinte: "Ich habe noch ein paar Leute mitgebracht." Und dann kam einer nach dem anderen ins Zimmer. Meine Weggefährten. Selbst müde nach einem langen Tag. Ich musste nicht viel erklären. Sie setzten sich einfach neben mir ins Dunkel und beteten für mich. Und es war unglaublich: schon nach den ersten Sätzen kam es mir so vor, als würde mich eine tiefe Welle von Frieden erfassen, die alle Verzweiflung mit sich nimmt. Nicht den Schmerz. (zumindest erstmal nicht ganz)  Aber der Friede war so gewaltig, dass die Schmerzen ganz beleidigt in die Ecke abzogen, weil sie plötzlich keine Beachtung mehr fanden. Sie waren einfach nicht mehr so wichtig. Gott war da.  Auch wenn das ziemlich große Worte sind - ich kann es nicht anders sagen. Und wenn ich jetzt an das Wochenende zurückdenke, dann ist dieser dunkle Moment auf der Bettkante, mein hellster und schönster Moment geworden. 

"Der große Vorteil von Negativfilmen ist, dass sie einen großen Belichtungsspielraum haben", lese ich bei Wikipedia. Kann man es besser sagen? Im Dunkel gibt es einen großen "Belichtungsspielraum" für Gottes Gegenwart. Und in manchen Momenten nützt er diesen Spielraum voll aus und schenkt seinen tiefsten Frieden. Leuchtende Gegenwart.  So gewaltig, dass ich sie heute morgen, während ich das aufschreibe, immer noch spüren kann.

Ganz oft, wenn ich an die kleine Gemeinschaft denke, mit denen ich nun schon über 20 Jahre unterwegs bin, kommen mir die Worte aus dem Lied von faithless in den Sinn: 
This is my church! This is where I heal my hurts.
Doch, wir leiden immer wieder auch aneinander. Aber es ist auch der Ort an dem ich Heilung finde. Und Frieden. Und Jesus. 

Und vielleicht ist es tatsächlich das Größte und einer der wichtigsten Aufgaben die wir als Kirche haben : Wir freuen uns an dem Guten was er unter uns tut! Wir schauen genau hin. Staunen. Sind Zeugen von kleinen Samen die aus trockenem Boden aufbrechen und neues Leben hervorbringen. Ich glaube das ist ein heiliger Auftrag. Sehend werden. Für Gottes Fingerabdrücke unter uns.  Wir lernen DA zu sein. Hier und jetzt. Miteinander. Und immer wieder auch füreinander -  wenn Gott uns einlädt mit einem vorsichtigen Lächeln die  Tür zum Dunkel des anderen zu öffnen, mit den wunderbaren Worten: "Ich hab noch ein paar Leute mitgebracht!" Und dann nehmen wir mit unseren Gebeten die Ecken der Matraze in die Hände und tragen einander zu Jesus. 



Und übrigens: Falls der eine oder ander mit mit gebangt hat: Als wir nach Hause kamen waren alle Hasen noch am Leben! Putzmunter. Gott versorgt auch diejenigen, um die wir uns gerade mal nicht kümmern können :-)

9 Kommentare:

  1. das letzte Foto ist der HAMMER!!!
    Und was du schreibst auch -- wie so oft.
    Ich hab doch selbst mal eine "Parallelstelle" zu deinem heutigen Taxt geschrieben … wie heißt sie noch, wo war sie denn?
    Hab ich nur angefangen, nicht vollendet. Abgelegt in "Entwürfen".
    Mach ich noch.

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    1. oh, wenn du den Text findest, dann sag Bescheid! Würde ich gerne lesen! Liebe grüße zu dir!!!

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  2. Sooo schön mal wieder geschrieben Christina und so wahr!! dieser große Belichtungsspielraum den Gott in unserer Dunkelheit hat.... und sehen und Wahrnehmen was uns täglich an Gutem begegnet...da fällt mir der Vers aus Psam 23 ein: du deckst mir den Tisch angesichts meiner Feinde... den ich ergänzen möchte: du deckst mir den Tisch angesichts meiner Mutlosigkeit, angesichts der Schwierigkeiten die immer mal wieder auftauchen, angesichts der Freude, die mich gerade überfällt... er versorgt mich IMMER und immer wieder... und immer wieder muß mich daran erinnern, dass er mich einlädt: komm und setz dich zu mir, ich hab so viel Gutes für dich auf dem Tisch....

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    1. Ach ja Tina, das ist so ein tolles Bild! oft nehme die Tafel einfach dankbar war und renne dann daran vorbei ohne mich daran satt zu essen... dafür will ich mir heute zeit nehmen! Danke für die Erinnerung!

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  3. Liebe Christina, das ist so wunderbar und macht mir Mut angesichts meiner eigenen Dunkelheiten. Und es bewirkt in mir Sehnsucht nach Jesus und nach Weggefährten, mit denen ich mein Leben teilen kann. Es ist viel wert, so eine Gemeinschaft zu haben...
    Liebe Grüße von einer der Marias, die hier lesen

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    1. Liebe Maria! Danke für dein Kommentar! Ja wie gut, dass Jesus in unseren Dunkelheiten immer wieder auftaucht, manchmal wenn wir ganz alleine vor ihm sind und manchmal durch einen Bruder oder eine Schwester. Dass wir immer wieder die Erfahrung von solchen Momenten machen, in denen Jesus unser Herz tröstet und es hell in uns wird, das wünsche ich uns... Sei ganz herzlichst gegrüßt und gesegnet, von dem Gott der dich sieht und unendlich liebt!

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  4. Gott läßt uns nicht im stich.eine gemeinde ist ein großes geschenk und eine große herausforderung.in dankbarkeit für deinen blog.maria

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    1. Ach ja, da hast du so recht, liebe Maria!!! EIne Gemeinde ist ein Geschenk und eine Herausforderung (und diese zwei Anteile können ziemlich krass hin und her schwanken!) Oder wie es Eugene Peterson mal sagte: Die Gemeinde besteht zu gleichen Teilen aus Chaos und Mysterium :-). Ganz herzliche Grüße zu dir zurück!!!

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  5. Liebe Christina, vielen Dank für diesen Beitrag und das Teilen deines intensiven Erlebnisses. Deine Zeilen haben mich sehr berührt.
    Danke für die Erinnerung daran, die schönen, die guten Dingen im Leben auch wirklich wahrzunehmen und die Sinne dafür zu schärfen. Danke für die authentischen Fotos, die das unterstreichen.
    Danke für das Teilen deines dunklen Momentes auf der Bettkante, der in der Gemeinschaft und im Gebet so licht und hell geworden ist.
    Und danke für das Bild des Negativfilms, in dem Gott im langen Belichtungsspielraum besonders viel Raum hat, gegenwärtig zu sein, Großes und auch Gutes zu tun. Was für ein Geschenk, wenn da noch Gemeinschaft dazu kommt! Manchmal haben die anderen dann für uns die Worte, das Gebet, für das wir in dem Moment keine Kraft haben. So habe ich es erleben dürfen: bei mir waren nur die Tränen, aber meine Geschwister haben mich vor Gott gebracht, und in Ihrem Zuspruch hat ER zu mir gesprochen.
    Ich freue mich, dass ich deinen Blog entdeckt habe und bin gespannt, mehr von dir zu lesen! Liebe Grüße sendet the

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